B. Roggema: The Legend of Sergius Ba¬īrā

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Titel
The Legend of Sergius Ba¬īrā. Eastern Christian Apologetics and Apocalyptic in Response to Islam


Autor(en)
Roggema, Barbara
Reihe
History of Christian-Muslim Relations 9
Erschienen
Leiden 2009: Brill Academic Publishers
Anzahl Seiten
579 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Michele C. Ferrari

Der 11. September hat im Westen zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Islam geführt und einen neuen Diskurs geschaffen, der zur Bewältigung von dringenden Identitätsfragen eingesetzt wird. Akademisch betrachtet, hat die Tragödie von New York insofern positive Aspekte, als das Fach Orientalistik bzw. Islamwissenschaft, das noch vor zehn Jahren ein beliebtes Stellenreservoir für manche Fakultät darstellte, zum Liebling von Rektoren und Dekanen wurde, welche die Chance auf «Visibilität» wittern. Nicht alles ist freilich Gold, was wie eine reich ausgestattete Moschee glänzt, weil in nicht wenigen Fällen das philologische Fundament der Disziplin ausgehöhlt wurde. Man ist umso dankbarer, wenn die Welle des Interesses für die Gründung sinnvoller Initiativen genutzt wird. Dazu gehört u.a. die neue Reihe, in denen die hier hintereinander zu besprechenden Bände veröffentlicht wurden. Sie widmet sich den Beziehungen zwischen Christentum und Islam aus historischer Perspektive. Die junge Orientalistin Barbara Roggema legt darin ihre bearbeitete Dissertation (Groningen 2006) vor. Das Buch liefert eine Studie über die ostchristliche Legende des syrischen Mönches Ba¬īrā, in der von dessen Begegnung mit dem jungen Mu¬ammad erzählt wird. Dieser wird von Ba¬īrā als Prophet erkannt und in Glaubensfragen unterwiesen. Aus der Lehre Ba¬īrās stammen Glaubensinhalte des Islam, der also laut der Legende christliche Ursprünge habe. Der Koran sei auch von Ba¬īrā verfasst worden, weil Mu¬ammad gefürchtet haben soll, dass ihm ohne ein Buch nicht geglaubt worden wäre. Die Unterschiede zwischen Islam und Christentum seien späteren Fälschungen des Korantextes zuzuschreiben. Zwei syrische und zwei arabische Versionen dieser Legende werden in diesem Buch ediert und ins Englische übersetzt. In dem vor den Editionen liegenden Untersuchungsteil (1–208) wird die Legende der Gattung der counterhistory zugeschrieben, d.h. einer Art von Polemik, die Quellen und traditionelles Wissen des Gegners verwendet, um die eigene Position zu stärken (Kap. I, 11–35). Die Verfasserin untersucht zunächst die Rolle, die Ba¬īrā in den islamischen Quellen spielt, um dann die Anwendung dieses islamisch überlieferten Kerns innerhalb der christlichen Legende besser einzuschätzen (Kap. II, 37–60). Dann werden die apokalyptischen Visionen von Ba¬īrā erörtert, die in der Legende enthalten sind (Kap. III, 61–93). Diese schildern den Erfolg Mu¬ammads und des Islam und beschreiben in symbolischer Weise die wechselnden Herrscher des muslimischen Orients bis zu der endgültigen Rückkehr und dem Sieg Christi. Die Symbolik der Visionen wird auf den historischen Hintergrund zurückgeführt und erklärt, ebenfalls wie ihr Zweck im Sinne der counterhistory. Das Argument, dass im politischen Erfolg des Islam seine Legitimation sieht, wird auf den Kopf gestellt: Gott erlaube den Erfolg des Islam, der mit dem Triumph des Kreuzes sein Ende finden werde. Die Inhalte von Ba¬īrās Lehre werden ferner mit anderen polemischen Schriften oder Streitpunkten zwischen Christentum und Islam in Verbindung gebracht (Kap. IV, 95–128). Es wird auch gezeigt, welche unmittelbare Funktion die Legende für die Verteidigung der Christen hatte, die im Orient zu Beginn des 9. Jahrhunderts – als die Legende wahrscheinlich entstanden ist – der politischen und militärischen Macht der Muslime ausgesetzt waren. Nicht nur wegen der «Verwandtschaft» des Islam mit dem Christentum, sondern auch wegen eines Versprechens von Mu¬ammad an Ba¬īrā sollen die Muslime die Christen und besonders die Mönche verteidigen. Die Verwendung von Koranversen zum selben Zweck wird in einem weiteren Kapitel erörtert (Kap. V, 129–149). Der erste Teil des Buches schliesst mit einer Analyse der Wirkung der Legende und der vielen Veränderungen, denen die Figur von Ba¬īrā unterlag (Kap. VI und VII, 151–208). Der Editionsteil (211–527) wird von einer Beschreibung der Rezensionen der Legende und ihrer Verhältnisse zueinander eingeführt (Kap. VIII, 211–225). Es folgt die Schilderung der Beziehungen zwischen den Handschriften, die kurz beschrieben werden (Kap. VIII, 225–247). In der Edition (254–527) ist für die jeweilige Rezension ein manuscrit de base unverändert abgedruckt, der aufgrund textueller Kriterien jeweils gewählt wurde. Die Übersetzung basiert auf einem Text, für den Varianten der Überlieferung berücksichtigt wurden. Die Unterschiede zwischen der Übersetzung und dem gegenüberliegenden Original werden durch Klammern hervorgehoben und in Fussnoten erklärt. Diese Vorgehensweise ist bedenklich und stiftet Verwirrung. Dafür entschädigt der erste Teil, der nichts unbeleuchtet lässt und die hervorragenden Kenntnisse der Verfasserin, vor allem im Bereich der syrischen Texte, unter Beweis stellt.

Zitierweise:
Michele C. Ferrari/Ulisse Cecini: Rezension zu: Barbara Roggema, The Legend of Sergius Bahira:. Eastern Christian Apologetics and Apocalyptic in Response to Islam (=History of Christian-Muslim Relations, Bd. 9) Leiden/ Boston, Brill, 2009. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 104, 2010, S. 465-466.

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